Wenn Responsible Disclosure zur Bot-Invasion wird
Am 12. August 2025 erlebten wir bei TroiHost einen außergewöhnlichen Cyber-Vorfall, der zeigt, wie schnell sich die Landschaft der IT-Sicherheit verändert hat. Was als professionelle Responsible Disclosure begann, entwickelte sich binnen Stunden zu einer koordinierten Scanner-Invasion. Dieser Transparenzbericht erklärt, was passiert ist, wie wir reagiert haben und welche Lehren wir daraus ziehen.
Der Ausgangspunkt: Professionelle Security Research
Der Tag begann positiv. Um 10:00 Uhr erhielten wir über unseren CERT-Kontakt eine professionelle Vulnerability-Meldung von einem Security Researcher aus Indien. Die Meldung war vorbildlich:
- Detaillierte technische Analyse
- Konkrete CVE-Referenzen
- CVSS-Bewertungen der Schwachstellen
- Klare Exploitation-Pfade
- Konstruktive Empfehlungen zur Behebung
Das ist Responsible Disclosure, wie sie sein sollte. Wir verifizierten die Meldungen umgehend, schlossen die Schwachstellen und boten dem Researcher einen Platz in unserer Security Hall of Fame sowie ein offizielles Zertifikat an.
Die Eskalation: Von Professionalität zu Automatisierung
Was als positive Zusammenarbeit begann, entwickelte sich ab 10:30 Uhr zu einem Alptraum. Unsere Analytics zeigten einen beispiellosen Traffic-Anstieg:
Die Zahlen sprechen eine klare Sprache:
- Normale Requests aus Indien pro Tag: <10
- Requests am 12. August: 54.272
- Das entspricht: 1 Request alle 0,7 Sekunden über 24 Stunden
Anatomy einer koordinierten Scanner-Invasion
Die Analyse des Traffics offenbarte ein beunruhigendes Muster:
Phase 1: Reconnaissance (10:30 – 12:00 Uhr)
Systematisches Crawling aller TroiHost-Subdomains, CERT-Endpunkte und öffentlichen Services. Hunderte verschiedener IP-Adressen aus Indien begannen gleichzeitig mit automatisierten Scans.
Phase 2: Spam-Reports (12:00 – 16:00 Uhr)
Die ersten “Vulnerability Reports” trafen ein – allerdings von deutlich niedrigerer Qualität:
- “Missing MTA-STS” mit Links zu kommerziellen Check-Tools auf unserer Netzwerk-Domain troihost.net
- “No rate limiting on contact page” (obwohl CAPTCHA und Backend-Protection aktiv waren)
- “Missing SPF Record” als “serious security vulnerability”, dazu noch auf einer “Dummy Domain”
- “Server IP is publicly accessible” (dies als Schwachstelle zu melden braucht schon viel kreative Eigenleistung!)
Phase 3: Qualitätsverlust (ab 14:00 Uhr)
Selbst der ursprünglich professionelle Researcher begann Standard-Scanner-Outputs zu senden: “Clickjacking vulnerability” für fehlende X-Frame-Options Header – ein Konfigurationshinweis, keine Schwachstelle.
Die Gegenmaßnahmen: Notfallverteidigung
16:00 Uhr: Erste Schutzmaßnahme
Geo-Blocking für Indien aktiviert – sofortiger Rückgang der Scanner-Aktivität.
18:00 Uhr: Vollständige Abschottung
Aufgrund anhaltender Scanner-Aktivität aus anderen Ländern (1.972 Requests aus den USA) entschieden wir uns für drastische Maßnahmen: Alle internationalen Zugriffe außer Deutschland wurden blockiert.
Begleitmaßnahmen:
- CERT-Kommunikation auf verstärkte Filterung umgestellt
- Statuspage-Benachrichtigung für internationale Nutzer
- BSI-Meldung über koordinierte Cyber-Aktivitäten
Lessons Learned: Die dunkle Seite von Responsible Disclosure
Dieser Vorfall zeigt ein neues Bedrohungsmuster:
Das Problem moderner “Security Research”
- Echter Fund als Trigger: Professionelle Disclosure wird in Communities geteilt
- Bot-Koordination: Hunderte automatisierte Scanner targetieren die Domain
- Spam-Überflutung: CERT-Kapazitäten werden durch irrelevante Meldungen lahmgelegt
- Qualitätsverlust: Selbst scheinbar seriöse Researcher werden von der Spam-Mentalität angesteckt
Die Ironie der Situation
- Wir fördern Responsible Disclosure nach BSI-Standards
- Werden dafür mit automatisierter Scanner-Hölle bestraft
- Müssen internationale Kommunikation blockieren, um funktionsfähig zu bleiben
Auswirkungen auf den TroiHost Maschinenraum
Diese Ereignisse sind der Grund, warum kein neuer Artikel in unserer Serie “TroiHost Maschinenraum” erschienen ist.
Die Bewältigung dieser koordinierten Scanner-Invasion und die Implementierung von Schutzmaßnahmen haben unsere verfügbaren Kapazitäten vollständig absorbiert. Anstatt wie geplant wöchentlich über unsere Technik, Arbeitsweise und Haltung zu schreiben, mussten wir uns auf die Abwehr einer neuen Form von Cyber-Bedrohungen konzentrieren.
Der Maschinenraum wird wiedereröffnet, sobald sich die Situation normalisiert hat und wir wieder die Zeit haben, die detaillierten, technisch fundierten Artikel zu schreiben, die Sie von uns gewohnt sind.
Transparenz in schwierigen Zeiten
Was funktioniert hat:
- Schnelle Erkennung und Reaktion auf die Bedrohung
- Effektive Cloudflare-Schutzmaßnahmen
- Aufrechterhaltung des Service für deutsche Kunden
- Professionelle Zusammenarbeit mit dem ursprünglichen Security Researcher
Was wir gelernt haben:
- Responsible Disclosure kann als Vektor für koordinierte Angriffe missbraucht werden
- Geo-Blocking ist manchmal die einzige effektive Verteidigung
- Die Grenze zwischen legitimer Security Research und Spam verschwimmt
- Transparenz und offene Kommunikation sind in Krisenzeiten wichtiger denn je
Ausblick: Stronger Through Adversity
Trotz dieser Herausforderungen bleiben wir unseren Prinzipien treu:
- Responsible Disclosure bleibt wichtig, aber wir müssen sie vor Missbrauch schützen
- Deutsche Kunden hatten während des gesamten Vorfalls uneingeschränkten Zugang
- Internationale Zusammenarbeit werden wir wiederaufnehmen, sobald sich die Lage beruhigt hat
- Der TroiHost Maschinenraum wird zurückkehren, mit noch mehr Einblicken in die Realitäten des modernen Hostings
Fazit: Hosting bedeutet Verantwortung
Dieser Vorfall bestätigt unsere Überzeugung: Hosting ist nicht nur Technik, sondern Verantwortung für unsere Kunden und ihre Daten. Manchmal bedeutet das, schwierige Entscheidungen zu treffen – wie das temporäre Blockieren internationaler Zugriffe, um die Sicherheit und Verfügbarkeit unserer Services zu gewährleisten.
Wir bleiben transparent, lernbereit und kundenorientiert. Auch wenn es bedeutet, dass der Maschinenraum manchmal stillsteht, während wir die Maschinen vor neuen Bedrohungen schützen.